Montag, 1. Januar 2007

Heilend berühren oder krank kopulieren

von Mag.a Gerlinde Knaus

"Verhinderte Sexualität"
Sexualassistenz als spezieller Sex-Service für Behinderte ist wild umstritten. Die Vorstellung, dass so genannte Sex-Helpers, meist Frauen, für Geld selbst aktiv "Hand anlegen", löst Befremdung aus und konfrontiert gleichzeitig mit dem beschränkten gesellschaftlichen Umgang von Sexualität.

Die in Berlin lebende Sexualassistentin, Nina de Vries, arbeitet überwiegend mit geistig behinderten Männern und sie kann Bände über die "verhinderte Lust" erzählen. Wie in anderen europäischen Ländern ist dieses Thema auch in Österreich ein Tabu.


Nina de Vries arbeitet seit zehn Jahren als "Sexualbegleiterin" und bietet erotische, sinnliche Berührungen an. Zu ihren Klienten gehören fast ausschließlich geistig behinderte Männer. Warum das so ist, darüber kann man/frau nur spekulieren, meint Nina de Vries, denn ihr Angebot gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Gelegentlich arbeitet sie auch mit Frauen. Sie erzählt von C., die 32 Jahre alt war, als Nina de Vries sie kennen lernte. "Sie ist in einem Heim aufgewachsen und irgendwann durch Umstände und Missverständnisse, die ich nicht genau kenne, in der Psychiatrie gelandet, wo sie ganz klar nicht hingehört", berichtet de Vries. C. werde als "geistig behindert" eingestuft. Sie habe stark autistische Züge. Sie kommuniziere mit Tönen/Mimiken und teilweise mit Gebärden. Jetzt lebe sie seit einiger Zeit in einem "Enthospitalisierungsprojekt" (sozial therapeutisches Wohnen) in Berlin. Dort wurde beobachtet, dass sie sich oft längere Zeit auf die Toilette zurückgezogen hätte, um zu masturbieren. "Sie fand keinen Weg dies erfolgreich durchzuführen und deshalb war sie meistens sehr unausgeglichen. Sie hat eine starke Tendenz zur Auto-Aggression", so de Vries. "Mein Auftrag war es ihr eine Technik der Selbstbefriedigung zu vermitteln. Ich habe dann mit ihr vier Monate lang einmal wöchentlich gearbeitet. Ich mochte sie und habe mich dafür interessiert, sie besser kennen zu lernen." C. wird von Nina de Vries als eine Frau mit einem starken Willen und einem sehr heftigen/feurigen Temperament beschrieben. "C. konnte vieles verstehen, was ich zu ihr sagte und sie konnte sich mit kleinen Unterbrechungen zwischendurch (Zwangshandlungen) voll und ganz unseren Begegnungen widmen." Nina de Vries zeigte ihr in den Sitzungen "ein paar Sachen", anfangs ausschließlich an ihrem eigenen Körper. "Ich habe sie massiert und wir waren auch zusammen in der Badewanne. Unser Zusammensein war behutsam und immer auch verspielt. Irgendwann habe ich ihr einen Vibrator gezeigt und wie man damit umgeht." Dies konnte sie zwar nicht direkt umsetzen, trotzdem glaubt Nina de Vries, dass die Treffen eine Bereicherung für C. dargestellt haben. Dass C. insgesamt "zufriedener" wurde, bestätigte auch ihr Betreuer, der Nina de Vries für diese Hilfestellung aus einer gewissen Ratlosigkeit heraus engagierte. Die Betreuer der Einrichtung, in der C. jetzt lebt, wussten natürlich um die sexuelle Not von C. Sie wäre vor den Begegnungen mit Nina de Vries "immer sehr ruppig mit sich selber umgegangen". Dies hätte sich durch den intimen Kontakt zur Sexualbegleiterin grundlegend geändert.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sex mit behinderten Menschen ist meiner Meinung nach sehr differenziert zu betrachten. Behindert ist nicht gleich behindert. Agressionspotential, Grad der Behinderung bzw. die Fähigkeit erlebtes zu verstehen und zu verarbeiten spielen eine große Rolle bei der Entscheidung wem man die Möglichkeit sexuellen Kontakt zu haben gestatten darf bzw. kann und wem nicht. Nina de Vries ist eine gut ausgebildete Dienstleisterin die es durch ihre Ausbildung versteht mit behinderten Menschen umzugehen. Genau darin besteht auch die grösste Schwierigkeit, nämlich Personen zu finden denen es zuzutrauen ist mit derartigen Menschen respektvoll und gekonnt umzugehen. Ich denke nicht, dass "normale", sprich nicht speziell geschulte, Prostituierte für die Befriedigung von Behinderten herangezogen werden können, da diese nicht wissen wie sie auf diese speziellen Bedürfnisse eingehen können.
Sollten sich jedoch Menschen finden deren Auffassung von Sex nicht im Wiederspruch damit steht diesen entgeltlich anzubieten, jene Menschen auch dementsprechend ausgebildet werden und eine entsprechende pädagogische Selektion der Behinderten stattfinden, dann ist die Idee auf jeden Fall zu befürworten, sollte sie finanziell überhaupt zu verwirklichen sein.